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Wie gelingt es, eine Anti-Krisen-Bewegung von links aufzubauen? – Eine notwendige Antwort auf #ZeroCovid

Mitte März 2020 verhängte die Bundesregierung zum ersten Mal einen gesamtdeutschen Lockdown. Seitdem bestimmt das staatliche Krisenmanagement unser Leben unter den Bedingungen einer Pandemie und einer Wirtschaftskrise.

Im April 2020 traten wir als #NichtaufunseremRücken das erste Mal öffentlich in Erscheinung. Mit den Initiativen „Wir zahlen nicht“ und „Wer hat der gibt“ entstanden im Juni und September weitere Bündnisse und Strukturen, um aktiv gegen die Krisenfolgen vorzugehen.

Anfang Januar 2021 ging mit „#ZeroCovid“ eine Petition online, die innerhalb der antikapitalistischen und breiteren Linken eine kontroverse Debatte um die richtige Strategie in Krisen-Zeiten losgetreten hat. Während die „#ZeroCovid“-Kampagne politisch in die falsche Richtung geht, ist die Strategiedebatte erfreulich und unbedingt notwendig!

Um zu einem Klärungsprozess beizutragen, möchten wir deshalb einige Thesen für eine linke Anti-Krisen-Strategie entwickeln.

1. Corona- und Wirtschaftskrise zusammendenken

Wenn wir über eine linke Anti-Krisen-Strategie nachdenken, bedarf es einer gemeinsamen Analyse der Situation. Auch wenn es unglaublich viele Einzelfragen gibt, müssen wir zu Beginn von einem einheitlichen Gesamtbild ausgehen:

Wir erleben bereits seit 2018/2019 eine weltweite Wirtschaftskrise. Dabei handelt es sich um eine Überproduktionskrise, wie sie der Kapitalismus gesetzmäßig und regelmäßig ca. alle 5 Jahre hervorbringt. Die aktuelle Überproduktionskrise hat die Besonderheit, dass sie mit einer Reihe sehr grundlegender Veränderungen in der Organisation der kapitalistischen Produktion zusammenfällt und diese beschleunigt. Dazu gehören zum Beispiel  die Digitalisierung weiter Teile der Produktion, die breite Einführung von Methoden der künstlichen Intelligenz und die sogenannte Dekarbonisierung, d.h. der Ausstieg aus fossilen Brennstoffen. Diese Entwicklungen werden die Arbeits- und Lebensbedingungen von großen Teilen der Arbeiter:innenklasse auf Jahre hin stark verändern.

Im Jahr 2020 brach die Corona-Pandemie inmitten der Überproduktionskrise aus. Dies führte dazu, dass deren Auswirkungen massiv verschärft wurden, zum Beispiel durch die Lockdowns in zahlreichen Ländern und die Unterbrechung internationaler Produktionsketten.

Das bedeutet: Nicht Corona hat die Wirtschaftskrise ausgelöst, wie es mitunter dargestellt wird, sondern die staatlichen Reaktionen auf die Pandemie haben die vorher bestehende Wirtschaftskrise massiv verschärft und vertieft. Näheres hierzu ist in unserem Positionspapier zur Wirtschaftskrise zu finden.

Diese Entwicklungen treten wiederum zusammen mit einer sich seit langem  zuspitzenden Umweltkrise sowie einer massiven internationalen Migrationsbewegung auf. Die kapitalistischen Staaten sind also mit einer multiplen Krisensituation konfrontiert – und wir auch.

Weltweite Wirtschaftskrisen sind Phasen, in denen sich die internationalen Spannungen zwischen den imperialistischen Staaten verschärfen. Das zeigt sich aktuell unter anderem  darin, dass es keine nennenswerten Bemühungen um eine internationale Kooperation gegen Wirtschaftskrise und Pandemie gibt, wie es 2008/2009 wenigstens noch zum Teil der Fall war. Heute kämpft jeder Staat ganz offen für sich allein, was sich in den folgenden Punkten bemerkbar macht:

In jedem kapitalistischen Staat lagen in der Pandemie die Optionen einer konsequenten Abschottung nach außen zumindest auf dem Tisch. Einige Staaten haben sie umgesetzt, wie zum Beispiel Australien oder Neuseeland; andere wie Deutschland haben sie bisher nicht umgesetzt – aus Angst vor weiteren wirtschaftlichen Schäden. Dass Deutschland sich aber solidarischer gegenüber anderen Staaten in dieser Pandemie verhält, wäre ein fataler Trugschluss. Die gemeinsame Beschaffung von Impfstoff in der EU hat es nur gegeben, weil Deutschland weite Teile der EU als Einflusszone betrachtet, die zentral für seine Machtstellung im imperialistischen Weltsystem ist.

Nach innen stellen sich alle kapitalistischen Staaten einerseits die Aufgabe, das unersättliche Profitstreben der Unternehmen möglichst nicht einzuschränken. Andererseits soll verhindert werden, dass die Pandemie vollkommen außer Kontrolle gerät. Dieser Balanceakt musste notwendigerweise scheitern und überdies tiefe Brüche in der Gesellschaft mit sich bringen.

Nicht nur die Wirtschaftskrise soll, wie jede kapitalistische Krise, auf den Rücken der Arbeiter:innen abgewälzt werden, indem Rettungspakete für Großkonzerne in Milliardenhöhe vergeben werden, sondern auch die Corona-Krise. Der kapitalistische Umgang mit der Pandemie hat den bürgerlichen Demokratien in Europa gewissermaßen ihre Maske vom Gesicht gerissen. Statt „freien Bürger:innen“ mit berechtigten Interessen wurden die allermeisten Menschen auf das reduziert, was sie aus der Sicht des Kapitals sind: Nämlich Arbeitskräfte.

2. Die Frage richtig stellen

Ausgehend von dieser Gesamtsituation sollten wir uns als Linke auf die Fragestellung „Was ist denn euer Plan zur Lösung der Pandemie?“ gar nicht erst einlassen. Natürlich können wir darüber philosophieren, wie die Pandemie-Bewältigung in einer sozialistischen Gesellschaft aussehen würde. Doch da wir nicht kurz vor einer Revolution stehen, muss aktuell jede Krisenlösung innerhalb der Logik des Systems verbleiben, welches uns das Elend erst eingebrockt hat.

Ein Versuch von links, die Krise unter den jetzigen Machtverhältnissen zu lösen, muss zwangsläufig dazu führen, reformistische Forderungen zu stellen – und zwar an die einzige reale Macht zu stellen, die diese große Aufgabe heute umsetzen kann: Nämlich den bürgerlichen Staat, der doch gerade verantwortlich für das Desaster ist!

Es ist ja gerade dieser Staat, der durch jahrzehntelange Sparprogramme in Altenheimen und Krankenhäusern Zustände geschaffen hat, die in Pandemiezeiten bedeuten, dass nicht alle intensivmedizinisch versorgt werden können (und ableistische Rangfolgen bei der Versorgung von Menschen angewendet werden); es ist gerade dieser Staat, der sich den großen Pharmakonzernen bei der Impfstoffproduktion auf Gedeih und Verderb ausgeliefert hat. Als Arbeiter:innen haben wir von einem bürgerlichen Staat, wie Deutschland es ist, nichts zu erhoffen und wir erwarten von ihm keine Lösung für unsere Probleme.

Mit der #ZeroCovid-Petition ist man gerade aufgrund der falschen Fragestellung in die Falle des Reformismus getappt. So fordert die Petition vom kapitalistischen Staat einen kurzen, schmerzhaften, aber dafür „solidarischen“ Lockdown: Kontakte zwischen allen reduzieren, alles schließen, insbesondere die Betriebe; besonders Betroffene unterstützen; das Gesundheitssystem stützen und ausbauen; Patente aushebeln; die Reichen zur Kasse bitten. Auf den ersten Blick mag die eine oder andere Forderung von #ZeroCovid sich antikapitalistisch anhören. Die Ausrichtung der Initiative, einen „harten Lockdown“ zu fordern, bedeutet aber in letzter Konsequenz, nach der starken Hand des imperialistischen Staates zu rufen und diesen damit zu stärken.

Faktisch wird damit unter „linken“ Vorzeichen der Ausnahmezustand gerechtfertigt oder sogar ausdrücklich eingefordert: Denn wer sonst als Polizei und Bundeswehr soll die Einschränkung der Bewegungsfreiheit und Kontaktverbote durchsetzen? Die Regierungen werden die Gelegenheit nicht ungenutzt lassen, um den Sicherheits- und Repressionsstaat in der Pandemie noch weiter auszubauen: Kontakt- oder sogar Ausgangssperren für die gesamte Bevölkerung unter Strafandrohung; faktische Aufhebung des Versammlungsrechts; sowie stark ausgeweitete Überwachungsmaßnahmen, um dies durchzusetzen. Den Vorgeschmack auf solch ein mögliches Szenario erleben wir bereits seit Monaten mit der Einschränkung unserer Rechte und Freiheiten.

Dieser Staat wird aufgrund des internationalen Konkurrenzkampfs niemals von „oben“ die Betriebe schließen. Ebenso wenig wird er uns die Freiheitsrechte zurückgeben, die er uns im Falle eines angeblich „solidarischen Shutdowns“ nehmen wird, da er schon seit Jahren auf deren Abbau hinarbeitet.

Unter den Bedingungen der globalisierten Produktion läuft eine ZeroCovid-Strategie – gerade bei einem Land wie Deutschland – auf Grenzkontrollen hinaus. Ob an den deutschen oder europäischen Außengrenzen, würde dies in jedem Fall jeglichem Prinzip internationaler Solidarität widersprechen: Angenommen der Staat würde es mit einem wochen- oder monatelangen harten Lockdown – der zum Beispiel in Wuhan über drei Monate dauerte, tatsächlich schaffen, Corona in Deutschland und Europa zu besiegen. In Afrika und den Kriegs- und Krisengebieten im Mittleren Osten würde die Pandemie unabhängig davon weiter toben. Und dann? Sollen wir uns dann bei Frontex freiwillig melden, um die Einreise von möglicherweise infizierten Menschen zu verhindern?

Anstatt unseren eigenen „Plan“ für eine Lösung der Pandemie vorzulegen und uns damit der Logik dieses Systems zu ergeben, sollten wir als Linke mit einer anderen Frage an die aktuelle Situation herangehen. Nämlich: Was sind aktuell die unmittelbaren Nöte der verschiedensten Teile unserer Klasse? Was sind die daraus resultierenden Forderungen? Wie können wir in den Kämpfen um diese Forderungen eine Gegenmacht in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens aufbauen, sodass die Arbeiter:innenklasse zu einer realen politischen Macht wird?

3. Eine Strategie muss eine maximale Kampfeinheit ermöglichen – ohne unsere Klassenposition aufzugeben!

Um eine reale Gegenmacht der Arbeiter:innen zu schaffen, müssen wir versuchen, uns in der Komplexität der Probleme unserer Klasse und anderer Schichten zurechtzufinden. Denn das kapitalistische staatliche Krisenmanagement der Corona- und Wirtschaftskrise betrifft verschiedene Menschen ganz unterschiedlich:

  • Zum einen haben wir unterbeschäftigte Arbeiter:innen, die auf Kurzarbeit sind oder entlassen werden und Angst vor Armut und Hartz IV haben.
  • Daneben gibt es aber auch Arbeiter:innen, die dem Virus weiterhin besonders ausgesetzt sind, weil sie im direkten Menschenkontakt ihre Gesundheit aufs Spiel setzen und manchmal noch mehr arbeiten müssen – wie zum Beispiel die Kolleg:innen in Krankenhäusern, in Supermärkten, Paketboten und Lagerarbeiter:innen, Fleischfabrikarbeiter:innen, LKW-Fahrer:innen und Erzieher:innen.
  • Kleine Gewerbetreibende – insbesondere in der Gastronomie, im Friseurhandwerk oder der Kultur – sind mit einem faktischen Berufsverbot belegt und stehen vor dem wirtschaftlichen Ruin.
  • Mieter:innen sind zum einen – gerade wenn sie ihre Jobs verloren haben –  mit dem Problem konfrontiert, ihre Miete nicht mehr zahlen zu können. Zum anderen müssen sie oft in viel zu kleinen Wohnungen leben – wo der Lagerkoller vorprogrammiert und das Infektionsrisiko besonders hoch ist.
  • Schüler:innen wird das Recht auf Bildung genommen, sie vereinsamen zu Hause, während der Staat nicht in der Lage ist, digitale Endgeräte bereitzustellen oder Luftfilteranlagen in Klassenräumen aufzubauen. Im Lockdown steigt auch die Gewalt gegen Kinder an, für die die Schule ein Zufluchtsort ist.
  • Rentner:innen und Menschen mit Vorerkrankungen und Behinderungen gelten zwar als Risikogruppen und müssen in der staatlichen Propaganda als Grund für massive  Grundrechtseinschränkungen herhalten. Wie egal sie aber tatsächlich für die Politik sind, kommt unter anderem im Impfchaos zum Ausdruck oder darin, dass Menschen über Monate von jedem Kontakt mit Angehörigen abgeschnitten werden.
  • Frauen wird nach wie vor ein Großteil der anfallenden unbezahlten Reproduktionsarbeit – also der Haus- und Sorgearbeit, der Kindererziehung usw. zugewiesen; all das wird unter den momentanen Bedingungen zu einer enormen zusätzlichen Belastung. Die patriarchale Gewalt im Lockdown steigt massiv an (und kann aufgrund des großen Mangels an Plätzen in Notunterkünften nicht aufgefangen werden.)
  • LGBTI+ Menschen sind im Lockdown besonders betroffen – sei es zum Beispiel durch die steigende patriarchale Gewalt im Lockdown, dem Schließen von Zufluchtsorten wie Bars und Vereinen, der fehlenden Zugänglichkeit für LGBTI+ zu Notunterkünften oder dem Aussetzen / Aufschieben von medizinischer Versorgung wie Hormontherapien oder geschlechtsangleichenden OPs für trans Personen.
  • Obdachlose sind in Unterkünften dem Virus verstärkt ausgesetzt, und müssen zusätzlich aufgrund des Lockdowns mit weniger Geld auskommen, da das Sammeln von Pfandflaschen oder das Bitten um Spenden kaum einträglich ist.
  • Menschen mit psychischen Erkrankungen erleben die soziale Isolation oftmals als noch belastender – für sie dringend notwendige Hilfsangebote wie Selbsthilfegruppen, Therapien und Klinikaufenthalte werden ab- oder unterbrochen.
  • Die Geflüchteten werden lediglich als möglicher Ansteckungsfaktor betrachtet. Die Bearbeitung von Asylanträgen ist fast auf null herunter gefahren worden und auch die Lager in Deutschland wurden faktisch in Gefängnisse verwandelt, sobald auch nur eine einzige Infektion festgestellt wurde.
  • Auch die Gefangenen sind einerseits dem Virus besonders ausgesetzt. Anderseits werden Freizeitangebote und Arbeitsmöglichkeiten oftmals komplett gestrichen. Der ohnehin schon geringe Kontakt nach außen und zwischen den Gefangenen wird nochmal verschärft und die sowieso schon prekäre Gesundheitsversorgung im Gefängnis spitzt sich zu.

Wir erleben eine komplexe Situation, in welcher der kapitalistische Lockdown, welcher das Virus halbherzig bekämpft, unserer Klasse scheinbar widersprechende Interessen aufdrängt. Damit sollen wir aufeinander gehetzt werden, statt uns zu vereinen und unsere Wut dorthin zu richten, wo sie hingehört: Nach oben.

Beispiele dafür sind Fragen wie die folgenden: Sollen wir die Schulen schließen und zuschauen, wie die patriarchale Gewalt explodiert? Wollen wir uns tatsächlich Neuseeland mit seiner strikten Einreisepolitik und seinen harten Ausgangssperren zum Vorbild nehmen? Wer sagt dann den Geflüchteten auf Lesbos oder in Bosnien-Herzegowina, dass sie nun noch länger in Lagern ausharren müssen? Wer macht den alleinerziehenden Müttern verständlich, dass sie ihre drei Kinder leider ohne Kita bei Laune halten müssen, bis die Inzidenz bei null ist?

Wir müssen unbedingt verhindern, dass wir uns als Klasse gegenseitig die Schuld am Infektionsgeschehen geben. Stattdessen muss unsere Bewegung die Interessen aller von Pandemie und Krise getroffener Teile unserer Klasse berücksichtigen. Das geht nur, wenn wir unsere allgemeinen und langfristigen Interessen als Ausgangspunkt nehmen. Darüber hinaus müssen wir für jedes Kampffeld differenzierte Forderungen und Kämpfe entwickeln, welche die Gesamtinteressen im Blick behalten.

4. Die Profiteure benennen und zur Verantwortung ziehen!

Im Gegensatz zu unseren durch die letzten Monate in jeder Hinsicht enorm strapazierten Mitmenschen gibt es eine kleine Schicht, die bisher keinerlei Verantwortung für die Überwindung der Pandemie übernimmt: Die Kapitalist:innenklasse. Wo sie es scheinbar tun, dient dies lediglich der Aufrechterhaltung der Produktion in ihrem eigenen Bereich.

Während das Privatleben der meisten Menschen in diesem Land auf den engsten Familienkreis und den heimischen Fernseher beschränkt wird, stand die Schließung aller nicht lebensnotwendigen Großbetriebe nie ernsthaft zur Debatte. Zu diesem Schritt konnte man sich lediglich in der Gastronomie, im Gastgewerbe und in Teilen des Einzelhandels durchringen.

Die Schließung von Großbetrieben ist notwendig, um die Infektionszahlen möglichst schnell zu senken. Einen „solidarischen Shutdown“ kann es im Kapitalismus jedoch nicht geben. Besonders die Überproduktionskrisen münden in die Zerstörung kleinerer Betriebe und von Millionen Existenzen zugunsten der Großkonzerne. Lediglich zeitweilige Zugeständnisse können von uns erkämpft werden.

Wenn man also einen Lockdown der Wirtschaft durchsetzen will, so muss dies mit klaren Forderungen und konkreten Kämpfen verbunden sein. Beispielsweise die volle Weiterzahlung der Löhne aller Arbeiter:innen durch das Kapital, das Verbot von Entlassungen und das Verbot von Zwangsräumungen.

Es geht darum, dafür einzutreten, dass das Kapital die Krise bezahlt und nicht noch subventioniert wird.

5. Die Veränderung sind wir! Klassenkampf statt autoritären Maßnahmen von oben!

Wie können wir nun erfolgreich konkrete Kämpfe mit diffenzierten Forderungen in den verschiedenen Bereichen entwickeln, unter dem gemeinsamen Banner, dass das Kapital die Krise bezahlen soll?

Unserer Auffassung nach sind dafür mehr als eine Petition oder auch nur einzelne Straßenproteste notwendig. Zentrales Element einer linken Anti-Krisen-Strategie muss die systematische Arbeit in den verschiedenen Betrieben, Stadtteilen, unter Arbeitslosen, unter Frauen, LGBTI+, Migrant:innen, in Behinderten-Werkstätten, Schulen und Universitäten sein. Diese Arbeit bedeutet, bei den alltäglichen Nöten und Sorgen unserer Klasse anzusetzen, selbstständige Organisationen zu schaffen und uns mit anderen Kräften zusammenzuschließen, um gemeinsam unsere Forderungen durchzusetzen. Ziel muss es sein, die Kämpfe in den einzelnen Bereichen zu einem gemeinsamen Kampf zusammenzuführen.

Dabei werden sich viele unserer Forderungen auch an den Staat richten. Jedoch gehen wir an ihn nicht als Bittsteller heran, sondern mit dem Ziel, ihn durch Druck von unten dazu zu zwingen, uns Zugeständnisse zu machen – Zugeständnisse, die er nur mit Rücksicht auf den Erhalt des Gesamtsystems und mit dem Ziel der Abschwächung unserer Proteste machen wird.

Dabei müssen wir in jedem Fall auf solche Forderungen verzichten, welche der Aufrüstungsstrategie des Staates in die Hände spielen, wie etwa der Einsatz der Tracing-App oder der Einsatz tausender Bundeswehrsoldat:innen in Alten- und Pflegeheimen und Gesundheitsämtern. Und wir müssen die scheinbar unpolitischen Verwaltungsmaßnahmen stärker in den Blick nehmen, vom digitalen Impfpass und digitaler Patientenakte bis hin zu den Plänen der Bargeldabschaffung und Einführung eines digitalen Euros, deren gemeinsamer Nenner in der verstärkten Überwachung der Bevölkerung durch Belohnung-/Bestrafungssysteme im Sinne der Kapitalverwertung liegt.

Während wir für den Schutz unserer Gesundheit anstatt der Profite kämpfen, dürfen wir nicht vergessen, dass der Staat im Schatten der Pandemie in seiner strategischen Aushöhlung unserer demokratischen- und Freiheitsrechte voranschreitet. Dies zeigt sich beispielsweise in der Überprüfung von Privatwohnungen, ob dort die Kontaktbeschränkungen eingehalten werden, oder in den Einschränkungen der Versammlungsfreiheit.

Es ist eben der „demokratische Rechtsstaat“ – auf den sich zum Beispiel  die ZeroCovid-Kampagne bezieht – der all dies vorantreibt. Unsere Grundrechte müssen wir uns im Kampf gegen den kapitalistischen Staat selbst nehmen. Trotzdem ist es wichtig, auch für die formale Aufhebung der massiven Eingriffe in unser Privatleben zu kämpfen, ebenso wie für unser Versammlungsrecht und gegen den Ausbau der staatlichen Überwachung. Wir dürfen es nicht den Rechten und Faschist:innen überlassen, sich als Schutzmacht der demokratischen Rechte aufzuspielen!

6. Unsere Vision: Vorwärts über den Kapitalismus hinaus!

Krisen-Zeiten sind Zeiten, in denen die Widersprüche des Systems besonders offen zu Tage treten – was dazu führt, dass immer mehr Menschen das System als Ganzes in Frage stellen. Noch nie ist es so klar gewesen wie in der aktuellen Pandemie, dass das kapitalistische System nicht in der Lage ist, auch nur die elementarsten Interessen der breiten Bevölkerungsmassen zum Beispiel nach Gesundheit zu gewährleisten. Diese Situation müssen wir nutzen, um unsere Vision einer Gesellschaft jenseits des Kapitalismus bekannt zu machen!

Das Desaster rund um die Impfstoffproduktion und die ungerechte internationale Verteilung, die ebenfalls die Pandemie verlängert, zeigt eindringlich, wie sehr wir eine vergesellschaftete (Pharma)industrie benötigen. Der augenfällige Widerspruch, dass massiv ins Privatleben eingegriffen wird, während die Profitwirtschaft weiterläuft, zeigt, dass dieses Wirtschaftssystem nicht den Menschen, den Tieren und der Natur dient. Die aktuellen und kommenden Entlassungswellen und Schließungen ganzer Unternehmen werden die Frage auf die Tagesordnung setzen: Wem sollen die Fabriken eigentlich gehören?

Während wir unseren Kampf vorerst auf Deutschland begrenzt führen, muss unsere Perspektive internationalistisch – und zwar über Europa hinaus – sein. Nicht nur die Pandemie kann letztlich nur weltweit besiegt werden, was zum Beispiel Debatten über Virus-Mutationen aus Südafrika zeigen. Auch erfolgreiche Kämpfe gegen internationale Monopole oder breit aufgestellte Mietkonzerne benötigen eine internationale Koordinierung, um zu verhindern, dass die Lasten einfach auf unseren Klassengeschwistern in Nachbarländern oder auf Kontinenten abgewälzt werden.

7. Aktionseinheiten im Kampf für unsere gemeinsamen Forderungen schaffen

Als #NichtaufunseremRücken-Bündnis lehnen wir sozialpartnerschaftliche und staatstragende „Krisenlösungen“ ab. Auf dieser Grundlage beteiligen wir uns an Aktionsbündnissen für Kämpfe um konkrete und berechtigte Forderungen.

Aus diesem Grunde wollen wir auch bei verschiedenen politischen Ansätzen taktisch zusammenarbeiten, um folgende Forderungen durchzusetzen:

  • Schließung aller nicht lebensnotwendigen Betriebe während eines Lockdowns – statt noch weiterer Einschränkungen im Alltag! Gefahrenzulage für die, die noch arbeiten müssen!
  • Konzernfinanziertes Kurzarbeitsgeld von 100% für die volle Zeit der Schließungen!
  • Kapitalfinanzierte unbürokratische Soforthilfe für kleine Gewerbetreibende!
  • Wir zahlen nicht für eure Krise: Schluss mit Geschenken an Großkonzerne!
  • Freigabe aller Impf-Patente!
  • #LeaveNoOneBehind! Dezentrale Unterbringung von Wohnungslosen und Geflüchteten! Keine Räumungen von Besetzungen!
  • Sofortiger Mietenstopp für die Zeit der Pandemie! Keine Zwangsräumungen und Kündigungen!
  • Ausbau von Frauen- und LGBTI+ Beratungsstellen sowie sicheren Unterkünften mit geschultem und gut bezahltem Personal!
  • Kein Ausschluss aufgrund von Behinderung, Alter, Vorerkrankungen oder anderen Merkmalen von lebensrettenden Behandlungsmöglichkeiten!
  • Digitale Ausstattung und sichere Schulen jetzt! Reduzierung der Semesterbeiträge an Universitäten!
  • Übernahme der Azubis nach Abschluss der Ausbildung!
  • Nein zu Einschnitten in das Versammlungsgesetz und dem weiteren Ausbau des Überwachungsstaats unter dem Vorwand der Pandemiebekämpfung. Kein Einsatz der Bundeswehr im Innern!

In diesen und weiteren Bereichen halten wir es für wünschenswert, dass es zu einer Zusammenarbeit von verschiedenen Protestbewegungen gegen die multiplen Krisen kommt, von „Wer hat der gibt“ oder ZeroCovid, bis hin zu gewerkschaftlichen Akteur:innen und zur Umwelt- und Tierschutzbewegung.

Auch wenn wir über den richtigen Weg raus aus der Krise des Kapitalismus streiten – lasst uns gemeinsam für eine breite Anti-Krisen-Bewegung von links für die Verteidigung der Interessen der Ausgebeuteten und Unterdrückten kämpfen!