Seit Wochen sind wir mit dem Corona-Virus und der dadurch vertieften Wirtschaftskrise konfrontiert. Der Virus an sich ist unpolitisch – die Art und Weise, wie damit umgegangen wird, ist dagegen hoch politisch. Denn mit Verweis auf den Infektionsschutz hat der Staat in dieser Zeit unsere Freiheitsrechte massiv eingeschränkt: Unsere Versammlungsfreiheit wurde uns weitestgehend genommen, Demonstrationen und andere Möglichkeiten der politischen Meinungsäußerung kriminalisiert. Damit geht einher, dass die Befugnisse der Polizei enorm ausgeweitet wurden – politische Aktionen unterliegen noch mehr ihrer Willkür. Die Überwachung durch den Staat wird ausgedehnt und auch der Einsatz der Bundeswehr im Inneren ist schon lange Realität. Das Asylrecht wurde faktisch ausgesetzt, Grenzen zu Nachbarländern, selbst zwischen Bundesländern, sind geschlossen. Auch Geflüchtete sind von massiver Repression betroffen. Anstatt dass man erkrankte BewohnerInnen schnell testet und sinnvoll verteilt, gibt es massive Einschränkungen in der Bewegungsfreiheit, sobald nur ein Bewohner einer Unterkunft einen Verdacht auf Corona hat. BewohnerInnen werden mit massiver Polizeigewalt in das Lager gesperrt und wie Vieh behandelt, beispielsweise werden auch Bauzäune um die Unterkunft errichtet. Währenddessen bleiben viele eigentlich überhaupt nicht systemrelevante Betriebe offen. Die wirtschaftlichen Rettungsmaßnahmen der Regierung erreichen zum großen Teil Konzerne. Gegen all das zu protestieren wird uns nun unmöglich gemacht! Das zeigt, dass die Einschränkungen der Freiheitsrechte Angriffe der Herrschenden Klasse sind, um unseren Widerstand gegen ihre Maßnahmen und ihr System mundtot zu machen. Doch überall gibt es schon Beispiele wie der Ausnahmezustand durchbrochen werden kann: Ob mit politischen Spaziergängen, Aktionen an Warteschlagen, Fahrraddemos oder Autokorsos – Überall zeigen Menschen, dass sie sich dem staatlich verordneten Ausnahmezustand nicht unterwerfen. Das wollen und werden wir fortsetzen. Es ist Zeit unsere Freiheitsrechte zu verteidigen! Darum sind wir heute auf die Straße gegangen und führten einen Aktionstag durch mit verschiedenen Aktionen.
Wir haben unsere Aktionsform so gewählt, dass sie auch mit Beachtung des Infektionsschutzgesetzes umgesetzt werden konnten, zu zweit. Mit Mundschutz und Handschuhen konnte man die die Stationen ablaufen und etwas hinterlassen was man selber gebastelt hat und/oder vorbereitetes Material verwenden.
Welche Stationen gab es?
Das Ausländeramt ist die Behörde, die für Geflüchteten zuständig ist. Sie entscheidet über ihren Status und Aufenthalt. Geflüchtete sind nicht mehr nur an Europas Mauern von massiver Repression betroffen, sondern auch hier in der schwäbischen Provinz wie bspw. in Ellwangen oder Konstanz. Die Geflüchteten bekommen massive Einschränkungen in der Bewegungsfreiheit auferlegt, sobald ein Bewohner einer Unterkunft einen Verdacht auf Corona hat. An der Ausländerbehörde wurde heute der Spieß einmal herumgedreht und der Eingangsbereich mit einem Stacheldrahtzaun abgesperrt. Aktuell ist dies die Lebenssituation in vielen Geflüchtetenunterkünften. Schilder und Wandzeitungen informierten über den unmenschlichen Umgang mit Geflüchteten.
An dem Polizeirevier 1 haben AktivistInnen Pappkameras und Wandzeitungen rund um die Polizeiwache in der Theodor-Heus-Straße verklebt. Diese thematisieren den Entwurf zum neuen Polizeigesetz in Baden Württemberg, welches nun im Deckmantel von Corona, schnell und leise verabschiedet werden soll. An hohen Stäben befestigt vermittelten die gebastelten Kameras einen kleinen Eindruck wie die intelligente Videoüberwachung im öffentlichen Raum aussehen könnte.
Am Eckensee wollen wir auf die katastrophale Lage im Mittelmeer eingehen. Das Mittelmeer ist eine der tödlichsten Fluchtrouten der Welt. Dabei ist das Sterben ein menschengemachtes Problem. Seit Jahren schottet sich die EU ab und kriminalisiert zivile SeenotretterInnen. Das sterben auf dem Mittelmeer geht weiter. Durch die Coronakrise gerät die menschenverachtende Abschottungspolitik der EU in Vergessenheit. Niemand berichtet, Hilferufe werden ignoriert und Menschen bewusst dem Tod überlassen. Im Eckensee schwimmt jetzt eine Installation: „Europas grenzen töten. Solidarität mit Geflüchteten“ ist darauf zu lesen. Am Ufer des Sees konnte man die Parole: #leaveNooneBehind zu lesen. Teilnehmende setzten gefaltete Bötchen ins Wasser um darauf aufmerksam zu machen, dass viele Boote in Seenot geraten, am Rand der Sees wurden Schuhe verteilt. Im See schwimmen Maleranzüge, welche symbolisch für die unzähligen ertrunkenen Geflüchteten im Mittelmeer stehen.
Auch am Karrierecenter der Bundeswehr gab es eine Aktion.
Durch die Corona Krise ist die Bundeswehr in ganz Deutschland im Einsatz, sei es bei der Unterstützung von Logistikaufgaben oder zur Bewachung von Geflüchtetenunterkünften.
Das ist der vorläufige Höhepunkt einer sich jahrelang verschärfenden Inneren Militarisierung. Nun gibt es Pläne 15.000 Soldaten im Inneren einzusetzen. Die Bundeswehr kann somit als neue Ordnungsmacht dienen, die auch gegen soziale Proteste in Krisenzeiten eingesetzt werden könnte. Wir lassen uns nicht davon abhalten uns unsere Rechte zu erkämpfen, weder von der Bundeswehr noch von irgendjemandem sonst. Vor dem Karrierecenter der Bundeswehr wurde es heute bunt. Schilder im Boden, auf Tafeln und Gemäuern des Gebäudes wiesen darauf hin: Auch in Coronazeiten bleibt die Bundeswehr vor allem eins: Ein Instrument der Herrschenden. Derzeit versucht sie ihren „Einsatz“ im Inneren mit Imagekampagnen effektiv digital zu vermarkten. Eine Wandzeitung zum Bundeswehreinsatz im Inneren hingen am Ende des Tages überall im Umfeld des Stützpunktes. Auch Kreuze im Boden und ein Transparent machen darauf aufmerksam: die Bundeswehr ist Militär……
Im Justizministerium sitzt unter anderem das EU Ministerium von BaWü. Dort werden alle EU Vorhaben oder Gesetze auf Länderebene entworfen, daher ist dieses Ministerium ganz direkt für die Gesetzesverschärfung im neuen Polizeigesetz verantwortlich und für die menschenverachtende EU Politik. Lasst uns mit Schildern und der Wandzeitung deutlichen, dass wir davon nichts halten!
Auch das Innenministerium war Ziel unseres Aktionstags. Es ist für die Polizei und somit, wie auch das Justizministerium für die neuen Polizeigesetze zuständig. Das neue Polizeigesetz schränkt die Freiheitsrechte der Bevölkerung massiv ein. Zudem sind sie mitverantwortlich für die schlechte Situation von Geflüchteten in Baden-Württemberg. Sowohl am Justiz- wie auch am Innenministerium wurden Plakate und die Wandzeitungen verklebt.
Zum Aktionstag haben Seebrücke Stuttgart, OTKM und Solidarisches Stuttgart aufgerufen. Trotz verschiedener Repressionsmaßnamen konnten wir die Aktionen heute erfolgreich durchführen und viele Menschen erreichen. Gerade in der aktuellen Situation ist es wichtig, aktiv zu werden und zu bleiben. Lasst uns weiterhin den Protest auf die Straße tragen und das auch am 1. Mai zeigen.
Für mehr Infos und Fotos folgt den Hashtags #FreiheitsrechteNehmen und #NichtaufunseremRücken #keinequarantänefürFreiheitsrechte #LeaveNotOneBehind.